Vertrauensarbeitszeit in der Schweiz: Definition, Regeln & Umsetzung
Bei der Vertrauensarbeitszeit erhalten Arbeitnehmer mehr Freiraum bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten. In der Schweiz ist dieses Arbeitszeitmodell nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
In diesem Artikel erklären wir Ihnen, was Vertrauensarbeitszeit ist, welche gesetzlichen Regelungen in der Schweiz gelten und wie das Modell umsetzbar ist.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Vertrauensarbeitszeit?
Die Vertrauensarbeitszeit ist ein Arbeitszeitmodell, bei dem Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten eigenverantwortlich und selbstständig gestalten. Im Vordergrund der Mitarbeiter steht die zeitgerechte und sorgfältige Erledigung der in den Zielvereinbarungen festgelegten Arbeitsaufgaben. Die Grundidee dabei ist: Sie vertrauen Ihren Mitarbeitern das Zeitmanagement an und kontrollieren nicht, wann und mit welchem zeitlichen Aufwand Ihre Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeit durchführen.
Gesetzliche Regelungen zur Vertrauensarbeitszeit in der Schweiz
In der Schweiz regeln das Arbeitsgesetz (ArG) und die dazugehörigen Verordnungen (ArGV 1-5) die arbeitsrechtlichen Vorgaben zu Arbeits- und Ruhezeiten.
Demnach sind Arbeitgeber in der Schweiz dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter aufzuzeichnen. Grundlage für die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeiterfassung bilden Art. 46 ArG sowie Art. 73 ArGV 1.
Aus diesem Grund kann Vertrauensarbeitszeit in der Schweiz nicht allgemein sondern nur unter folgenden bestimmten Voraussetzungen umgesetzt werden:
- Ausnahme von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
- Vereinbarung in einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV)
- Vereinfachte Arbeitszeiterfassung
Ausnahme von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für bestimmte Arbeitnehmergruppen
Auch wenn eine Pflicht zur systematischen Erfassung der Arbeitszeiten in der Schweiz besteht, lässt sich die Vertrauensarbeitszeit in bestimmten Fällen dennoch umsetzen.
Möglich wird dies durch Ausnahmen von dieser Verpflichtung, die in Art. 73a ArGV 1 sowie in Art. 73b ArGV 1 geregelt sind (vgl. Staatssekretariat für Wirtschaft SECO).
Demnach sind bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vom Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ausgenommen. Dazu zählen:
- Angestellte des Top-Kaders mit einer höheren leitenden Tätigkeit, wie z.B. CEO oder CFO
- Aussendienstmitarbeiter im Verkauf (Handelsreisende)
Für diese Arbeitnehmer gilt die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeiten nicht, weshalb die Umsetzung von Vertrauensarbeitszeit für sie im Allgemeinen möglich wäre.
Vereinbarung in einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV)
In Art. 73a ArGV 1 ist eine weitere Ausnahme von der Pflicht zur Zeiterfassung vorgesehen, die die Einführung von Vertrauensarbeitszeit ermöglicht.
Dabei können die Sozialpartner im Rahmen eines Gesamtarbeitsvertrags (GAV) festlegen, dass Arbeitnehmer ihre Angaben zur Arbeitszeit nicht erfassen und dokumentieren müssen.
Voraussetzung dafür ist, dass alle der folgenden Kriterien gleichzeitig erfüllt sind:
- Autonomiegrad der Mitarbeiter:
- Die betreffenden Mitarbeiter müssen ihre Arbeit autonom gestalten und sich ihre Arbeitszeiten weitgehend selbst einteilen können (mindestens 50% der Arbeitszeit). Dies gilt unabhängig von der hierarchischen Position des Arbeitnehmers. Als Beispiel:
- Die Arbeit eines Mitarbeiters in einer höheren Position ist stark an betriebliche Vorgaben oder kundenbedingte Verfügbarkeiten gebunden. Der Mitarbeiter besitzt deshalb nicht die notwendige Autonomie (z.B. Vertriebsleiter).
- Hingegen erledigt ein Mitarbeiter in einer hierarchisch tieferen Position seine Arbeit ohne feste Präsenzzeiten am Arbeitsplatz. Er kann seine Arbeitszeit somit autonom gestalten (z.B. Fachspezialist).
- Die betreffenden Mitarbeiter müssen ihre Arbeit autonom gestalten und sich ihre Arbeitszeiten weitgehend selbst einteilen können (mindestens 50% der Arbeitszeit). Dies gilt unabhängig von der hierarchischen Position des Arbeitnehmers. Als Beispiel:
- Bruttojahreseinkommen:
- Die betreffenden Arbeitnehmer müssen ein Bruttojahreseinkommen von mehr als CHF 120 000.– inkl. Boni haben.
- Bei einer Teilzeitanstellung verringert sich dieser Betrag anteilsmässig.
- Verzicht auf Arbeitszeiterfassung:
- Die betreffenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen den Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung individuell schriftlich vereinbaren.
- Beide Parteien haben das Recht, diese Vereinbarung jährlich per Ende Jahr zu widerrufen.
Darüber hinaus muss der GAV folgende Bedingungen vorsehen:
- Die Mehrheit der repräsentativen Arbeitnehmerorganisationen, insbesondere der jeweiligen Branche oder des Betriebs, müssen den GAV unterzeichnen.
- Im GAV müssen besondere Maßnahmen für den Gesundheitsschutz und Regelungen zu Pausen sowie Ruhezeiten festgelegt sein.
- Der GAV muss den Arbeitgeber dazu verpflichten, eine interne Anlaufstelle für Fragen zu den Arbeitszeiten zu benennen. Diese Person ist u.a. dafür zuständig, die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter zu überprüfen und gegebenenfalls Massnahmen vorzuschlagen, um Überlastungen zu vermeiden.
Exkurs: Was ist ein Gesamtarbeitsvertrag?
Ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) ist ein Arbeitsvertrag in der Schweiz, der die Arbeitsbedingungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelt. Er dient als verbindliche Grundlage für Arbeitsverträge und kann für eine bestimmte Branche, einen bestimmten Beruf oder einzelne Betriebe erstellt werden.
Im GAV werden in der Regel Angaben zu Arbeitszeiten, Ferien, Kündigungsfristen und Mindestlöhnen festgelegt.
Der GAV ist vergleichbar mit Tarifverträgen in Deutschland oder Kollektivverträgen in Österreich.
Vereinfachte Arbeitszeiterfassung
Für Arbeitgeber in der Schweiz gibt es noch eine dritte Möglichkeit, um Ihren Mitarbeitern zumindest eine abgeschwächte Form der Vertrauensarbeitszeit zu ermöglichen: die vereinfachte Arbeitszeiterfassung (vgl. Art. 73b ArGV 1).
Bei dieser müssen Sie bzw. Ihre Arbeitnehmer nur folgende Informationen zur Arbeitszeit verpflichtend erfassen:
- Dauer der geleisteten täglichen Arbeitszeit
- Zusätzlich bei Nacht- und Sonntagsarbeit: Beginn und Ende des betreffenden Einsatzes
Achtung!
Eine vereinfachte Arbeitszeiterfassung ist nur für solche Mitarbeiter möglich, die ihre Arbeitszeiten zu einem gewissen Teil eigenständig einteilen können (mindestens 25% der Arbeitszeit). Welche Voraussetzungen für die vereinfachte Arbeitszeiterfassung konkret erfüllt werden müssen, lesen Sie in unserem Beitrag zur Arbeitszeiterfassung in der Schweiz.
So einfach ist Zeiterfassung
Auch bei flexiblen Arbeitszeitmodellen wie Vertrauensarbeitszeit ist es wichtig, die gesetzlichen Bestimmungen zum Gesundheitsschutz wie Pausenregelung oder Höchstarbeitszeiten einzuhalten.
Unsere Empfehlung: Nutzen Sie ein digitales Zeiterfassungstool wie timr. Damit erfassen Sie die Arbeitszeiten Ihrer Mitarbeiter in dem Umfang, wie es erforderlich ist. Zusätzlich stellen Sie den Gesundheitsschutz durch automatische Überprüfungen der Arbeitszeitvorgaben sicher.
Für welche Unternehmen ist Vertrauensarbeitszeit geeignet?
Die Eignung von Vertrauensarbeitszeit hängt weniger vom Unternehmen selbst als von der Art der Tätigkeit der Mitarbeitenden ab.
Insbesondere Jobs, die unabhängig von festen Öffnungszeiten oder Kundenkontakten sind, sowie Positionen im Topmanagement, eignen sich gut dafür.
Dazu zählen Geschäftsführer, Geschäftsinhaber oder große Betriebe mit einer ausgeprägten mittleren Managementebene.
Mitarbeitende außerhalb des Topkaders können Vertrauensarbeitszeit nutzen, wenn es entsprechende Vereinbarungen im GAV gibt oder eine vereinfachte Arbeitszeiterfassung vorliegt.
Für folgende Branchen bzw. Berufsgruppen ist Vertrauensarbeitszeit dann besonders geeignet:
- Vertriebs- und Außendienstmitarbeiter: Sie arbeiten oft flexibel und werden nach Leistung oder Umsatz gemessen, wodurch feste Arbeitszeiten wenig praktikabel sind.
- Beratungsunternehmen: Bei projektbasierter Arbeit zählt das Ergebnis mehr als die Arbeitszeit.
- Bau- und Ingenieurbüros: Projektarbeit erfordert Flexibilität, und Mitarbeitende profitieren von selbstständiger Zeiteinteilung.
- Forschung und Entwicklung: Kreative und wissenschaftliche Prozesse sind schwer vorhersehbar und erfordern flexible Arbeitszeiten.
- Softwareentwickler: Hier wird oft auf eigenverantwortliche Zeiteinteilung gesetzt, solange Deadlines eingehalten werden.
Nicht geeignet ist Vertrauensarbeitszeit für Branchen mit:
- Hohe Präsenzpflicht: Produktion, Logistik, Pflege oder Einzelhandel benötigen feste Arbeitszeiten.
- Sicherheits- oder Compliance-Anforderungen: Banken, Versicherungen und Behörden erfordern eine präzise Zeiterfassung.
- Schichtarbeit: Mitarbeitende müssen hier zu festgelegten Zeiten anwesend sein.